Bundeskanzler Kurz - "Die nächsten Monate werden ein rot-weiß-roter Kraftakt"

Am 19. Oktober 2020 fand ein Pressestatement zu den Maßnahmen gegen die Krise im Bundeskanzleramt statt. Im Bild (v.l.n.r.) Bundesminister Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesminister Rudolf Anschober

 

Ab Freitag verschärfte Corona-Maßnahmen in ganz Österreich

"Wir erleben in Europa gerade das, was für den Herbst zu erwarten war: Die zweite Welle breitet sich aus. Die Situation ist sehr ernst. Das Wachstum ist exponentiell, das heißt in einem gewissen Zeitraum kommt es zu einer Verdoppelung der Neuinfizierten. Wir haben derzeit in Österreich eine Verdoppelung innerhalb von etwa 3 Wochen. Wenn dieser Trend nicht abreißt oder sich verschärft, dann bedeutet das 6.000 Neuinfektionen pro Tag im Dezember, denn exponentielles Wachstum lässt sich nicht von alleine beenden. Wir müssen daher jetzt alles tun, um gegenzusteuern und einen zweiten Lockdown für Österreich zu verhindern", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, bei der er gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer über die Entwicklung der Corona-Situation und bundesweite Verschärfungen der Maßnahmen informierte.

Hohe Infektionszahlen schaden Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Gesundheitssystem

Der Bundeskanzler bedankte sich bei allen Menschen in Österreich, die einen Beitrag leisten. Es gebe leider aber auch einige, die die Maßnahmen absichtlich ignorieren und andere dazu aufrufen, Maßnahmen zu brechen. "Diese Menschen verursachen einen großen Teil des Schadens, den wir dann alle gemeinsam ausbaden müssen. Dafür habe ich absolut kein Verständnis", so Sebastian Kurz. Klar müsse sein: Je mehr Menschen sich bemühen, desto besser komme man durch die Krise. Das betreffe nicht nur die Gesundheitssituation: "Je höher die Infektionszahlen sind, desto größer ist der Schaden für Wirtschaft und Arbeitsplätze."

Auch müsse man an jene Menschen denken, die eine Operation geplant haben. "Je größer die Belastung der Spitäler, desto mehr Menschen müssen Operationen verschieben. Das ist höchst unangenehm und ein Schaden für die Betroffenen", so der Kanzler.

"Mein wichtigster Punkt ist heute die eindringliche Bitte an alle Menschen in unserem Land: Bitte helfen Sie mit. Sie können durch Ihren Verzicht, auch wenn es schwerfällt, einen Beitrag für Ihr Land und seine Menschen leisten. Die nächsten Monate werden ein rot-weiß-roter Kraftakt werden. Es wird noch Monate dauern, bis wir mit einem Impfstoff einen Durchbruch erzielen können", appellierte Bundeskanzler Kurz. Es würden herausfordernde Monate, aber je stärker man zusammenhalte, desto besser werde man durch diese Phase kommen. Daher müsse die Bundesregierung weitere Maßnahmen setzen. "Wir sind uns vollkommen bewusst, dass diese Maßnahmen unpopulär sind. Aber sie sind notwendig."

Beschränkungen bei privaten Zusammentreffen und professionellen Veranstaltungen

Ab Freitag 0 Uhr treten folgende Maßnahmen in Kraft: Es gilt weiterhin, Abstand zu halten und Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Darüber hinaus reagiert der Bund dort, wo die Masse der Ansteckungen stattfindet, nämlich bei privaten Zusammenkünften. Indoor können ab Freitag Zusammentreffen nur noch mit maximal 6 Personen, Outdoor mit maximal 12 Personen stattfinden. Das gilt überall, etwa im Restaurant, beim Yoga-Kurs, in der Tanzschule, bei der Geburtstagsfeier oder der Hochzeit sowie bei Zusammentreffen in Vereinslokalitäten. Ausnahmen sind, wie bisher, Begräbnisse.

Auch bei den professionellen Veranstaltungen kommt es zu Nachschärfungen. Diese können ausschließlich mit zugewiesenen Sitzplätzen, mit einer Mund-Nasen-Schutz-Pflicht während der gesamten Dauer der Veranstaltung und ohne Bewirtung stattfinden. Zudem braucht es eine Vorabinformation der Gesundheitsbehörden beziehungsweise eine behördliche Genehmigung. Outdoor werden professionelle Veranstaltungen mit maximal 1.500 Personen, Indoor mit maximal 1.000 Personen beschränkt.

Bundeskanzler Kurz informierte darüber hinaus, dass "die Länder die Möglichkeit haben, regionale Verschärfungen vorzunehmen". Das betreffe etwa die Sperrstunde, das Aussprechen eines Alkoholverbots, die Verhängung der Mund-Nasen-Schutz-Pflicht an belebten öffentlichen Orten oder regionale Quarantänemaßnahmen. Die Bundesländer würden die Bevölkerung selbständig über regionale Maßnahmen in Kenntnis setzen.

Abschließend ersuchte der Kanzler nochmals: "Halten Sie Abstand und tragen Sie den Mund-Nasen-Schutz. Immer, wenn Sie sich fragen, ob Sie die Maske tragen sollen oder nicht, entscheiden Sie sich dafür, die Maske zu verwenden. Bitte reduzieren Sie soziale Kontakte und halten Sie sich an die gesetzten Maßnahmen. Damit leisten Sie einen Beitrag. Gemeinsam können wir die Krise bestmöglich bewältigen."

"Verantwortung von uns allen" – Für Sicherheit bei Veranstaltungen sorgen

Vizekanzler Werner Kogler erläuterte die Anzeigepflicht bei den Gesundheitsbehörden für kleinere Veranstaltungen ab 7 Personen für Indoor- und ab 13 Personen für Outdoor-Veranstaltungen. "Die Grenze für behördlich zu genehmigende Konzepte bleibt mit 250 gleich hoch. Wir wollen in diesen Bereichen weitgehend für Sicherheit sorgen, damit auch etwas stattfinden kann", betonte der Vizekanzler. Der aktive Sport sei weiterhin möglich und ein gesundheitspolitisches Ziel.

"Kindergärten und Schulen sollen so lange wie möglich offengehalten werden, da dieser Bereich auch in die Wirtschaft und in die Familien hineinspielt", so Kogler. Auf diese Weise könne es gelingen, dass man auch in Zukunft Krankheitsfälle mit schweren Verläufen reduzieren könne. An "die Verantwortung von uns allen" möchte man immer wieder appellieren. Bei mehr Disziplin an Wochenenden und am Abend werde es dazu kommen, dass Kinder weiterhin in Kindergärten und Schulen gehen können.

"Die Hilfsfonds für Betriebe, Vereine und Veranstalter werden zumindest bis Jahresende verlängert, viele davon bis März nächsten Jahres. Auch Ausfallshaftungen für Restriktionen werden übernommen", so der Vizekanzler.

"COVID-Pandemie ist kein Schicksal. Wir haben es in der Hand"

Gesundheitsminister Rudolf Anschober ging in seinem Statement zunächst auf die aktuelle weltweite Entwicklung ein: "Wir haben die schwerste Pandemie seit 100 Jahren: Heute wurde die Grenze von weltweit 40 Millionen bestätigten Fällen überschritten, mit 1,1 Millionen Todesopfern. Die Situation und diese Zahlen zeigen, dass sich die Pandemie weiter ausbreitet, wobei Europa derzeit die stärksten Zuwächse hat und das Epizentrum der Pandemie ist."

Besorgniserregend an der derzeitigen Situation sei, dass die Infektionszahlen stark steigen und dass es derzeit mit 5 bis 7 Prozent an positiv Getesteten einen auffallend hohen Prozentsatz gebe: Dies kann ein Indikator für eine beachtliche Dunkelziffer sein. Zudem steigt das Durchschnittsalter der Erkrankten auf derzeit etwas über 40 Jahre.

Besonders bedenklich sei, dass es mittlerweile wieder besonders viele Fälle in Alters- und Pflegeheimen gebe. "Dort leben die Menschen, die in der schwierigsten Situation sind. Wir sind deshalb gerade dabei, eine bundeseinheitliche Verordnung zum Schutz dieses Bereiches vorzubereiten. Wir hatten bisher nur Empfehlungen, wir werden hier eine klare Vorgabe realisieren", so Anschober. Dabei gehe es um das verstärkte Durchführen von Screeningtestungen, sowohl bei Bewohnerinnen und Bewohnern sowie bei Angestellten und um umfassende Präventionsmaßnahmen bezüglich Hygiene und Besuchsregelungen. "Hier geht es nicht um Isolierungen. Wir werden sehr achtsam damit umgehen, dass Empfehlungen, die die Kontaktmöglichkeiten betreffen, absolut eingehalten werden", stellte Anschober klar. Weiters werde es bei den Vorgaben um die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und zusätzliche Maßnahmen im Bereich eines umfassenden Präventionskonzeptes gehen.

Besorgniserregend seien auch die Zuwächse in der letzten Woche von plus 42 Prozent im Bereich der Hospitalisierungen und um 49 Prozent bei Menschen, die eine intensivmedizinische Betreuung benötigen. Eine dramatische Steigerung der Hospitalisierungen müsse mit aller Kraft vermieden werden, um eine sichere Behandlung und Betreuung langfristig sicherstellen zu können. "Wir haben die erste Herausforderung im Frühling gut überstanden. Kaum ein anderes Industrieland hat vergleichsweise so wenige Erkrankungen und Todesfälle gehabt. Wir wissen was zu tun ist: wieder Zusammenhalt leben, wieder Verantwortung übernehmen. Die Pandemie ist kein Schicksal. Wir können entscheiden, ob sie sich weiter stark ausbreitet oder ob wir uns gemeinsam ausreichend schützen und damit die Situation stabilisieren. Wir haben es in der Hand", so Anschober.

Verstärkte Kontrollen der Behörden zur Einhaltung der Maßnahmen

Innenminister Karl Nehammer betonte: "Es ist wichtiger denn je, die Infektionsketten zu durchbrechen. Wir haben die Chance, das zu tun. Dafür braucht es die angesprochenen Maßnahmen und diejenigen, die Nachschau halten, ob diese Maßnahmen auch eingehalten werden. Das sind die Gesundheitsbehörden und das ist die Polizei. Ich habe den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit daher angewiesen, aufgrund der neuen Maßnahmen den Kontrolldruck weiter zu erhöhen."

Die Österreicherinnen und Österreicher würden sich überwiegend an die Maßnahmen halten. Jene Personen, die dies nicht tun, müssten jedoch mit Konsequenzen rechnen. Denn die Maßnahmen an sich seien kein Selbstzweck. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die Ansteckungszahlen gering zu halten. Wir müssen wieder den Grundsatz leben: Schau auf Dich, schau auf mich. Denn all das, was heute vereinbart worden ist, hat nur den einzigen Zweck: Aufeinander aufzupassen und die Infektion nicht weiterzugeben", so Nehammer. Mit einem gemeinsamen Schulterschluss könne es gelingen, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen, so der Innenminister abschließend.

Quelle: BKA  //  Fotocredit: Dragan Tatic   //  Videocredit: Youtube/he5FhTFSoWw



 

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